Kann man sich gegen einen Mes­ser­an­griff ver­tei­di­gen?

Auch wenn Mes­ser­at­ta­cken in Deutsch­land in den letz­ten Jah­ren zuge­nom­men haben, liegt sta­tis­tisch die Wahr­schein­lich­keit bei ca. 0,2% Opfer eines Mes­ser­an­griffs zu wer­den. Trotz­dem stellt man sich die berech­tig­te Fra­ge, ob ein Mes­ser­an­griff über­haupt abge­wehrt wer­den kann.

Die Fra­ge kann man mit einem kla­ren „Jaein!“ beant­wor­ten, denn es hängt von meh­re­ren Fak­to­ren ab, wie all­ge­mei­ne Aus­gangs­si­tua­ti­on, Art und Absicht des Angriffs, kör­per­li­che und men­ta­le Fit­ness von Täter und Opfer sowie den vor­han­de­nen Schutz- und Flucht­mög­lich­kei­ten. Eine für alle Situa­tio­nen nütz­li­che Pau­schal­lö­sung gibt es lei­der nicht, denn die „rich­ti­ge“ Lösung ergibt sich erst im rea­len Ein­zel­fall.

Abwehr­tipps gegen Mes­ser­an­grif­fe in ver­schie­de­nen Sze­na­ri­en

Über­ra­schen­der angriff mit sofor­ti­ger Tötungs­ab­sicht

Abwehr­tipps:

  • lau­tes Schrei­en (wenn mög­lich)
  • Distanz­kon­trol­le (wenn mög­lich in Bewe­gung blei­ben, Vital­re­gio­nen schüt­zen, Schla­gen, Tre­ten, Bei­ßen, Krat­zen, usw.)

Hin­weis:
Vie­le Spu­ren (Krat­zer, Bis­se, eige­nes Blut) am Täter hin­ter­las­sen. Die Täter-DNA am Tat­ort ist für die Foren­sik wich­tig!

Erfolgs­chan­cen:
0% — 20%
Ver­let­zungs­ri­si­ko:
100%

Vor­her­seh­ba­re Mes­ser­at­ta­cke nach Eska­la­ti­ons­la­ge

Abwehr­tipps:

  • lau­tes Schrei­en
  • Distanz­kon­trol­le (in Bewe­gung blei­ben, siche­ren Abstand hal­ten, Vital­re­gio­nen schüt­zen, Schla­gen, Tre­ten, Bei­ßen, Krat­zen, mit Gegen­stän­den bewer­fen, usw.)
  • Pro-Tipp*:
    über­ra­schen­der Gegen­an­griff mit Fixie­rung des Waf­fen­arms und Neu­tra­li­sie­rung des Täters
  • Schutz­mög­lich­kei­ten suchen (Tisch, Baum, Tür, Auto, Flucht­weg, Men­schen)
  • nach Hil­fe rufen

Erfolgs­chan­cen:
0% — 100%
Ver­let­zungs­ri­si­ko:
100%

Raub­über­fall mit Mes­ser­ein­satz ohne Tötungs­ab­sicht

Abwehr­tipps:

  • lau­tes Schrei­en
  • Dees­ka­la­ti­on
  • Pro-Tipp*:
    Über­ra­schen­der Gegen­an­griff mit Fixie­rung des Waf­fen­arms und Neu­tra­li­sie­rung des Täters
  • Distanz­kon­trol­le (in Bewe­gung blei­ben, siche­ren Abstand hal­ten, Vital­re­gio­nen schüt­zen)
  • Raub­beu­te über­las­sen
  • Schutz­mög­lich­kei­ten suchen (Tisch, Baum, Tür, Auto, Flucht­weg, Men­schen)
  • Täter „scan­nen“ und sich Auf­fäl­lig­kei­ten mer­ken
  • Tat im Anschluss sofort bei Poli­zei und Ver­trau­ens­per­son mel­den

Erfolgs­chan­cen:
50% — 100%
Ver­let­zungs­ri­si­ko:
50%

* Der Pro-Tipp ist nur aus­zu­füh­ren, wenn die Lage es erlaubt. Er ist nur für Per­so­nen geeig­net, die regel­mäß Selbst­ver­tei­di­gung trai­nie­ren und min. 1000x rea­li­täts­na­he Mes­ser­an­griffs-Sze­na­ri­en durch­lau­fen haben.

Die Situa­ti­on ergibt die Lösung

Sticht der Mes­ser­an­g­rei­fer ohne Vor­war­nung aus dem Nichts sofort und mehr­mals mit Tötungs­ab­sicht zu, kann man sich nicht weh­ren, denn die­se Chan­ce wird einem gar nicht gebo­ten. Wur­den nicht bereits lebens­wich­ti­ge Berei­che getrof­fen haben, besteht eine klei­ne Abwehr­mög­lich­keit mit gerin­gen Erfolgs­chan­cen.

Ist ein Mes­ser­an­griff nach einer vor­he­ri­gen Eska­la­ti­ons­la­ge (ver­ba­len Aus­ein­an­der­set­zung, Pro­vo­ka­ti­on, Streit, Schlä­ge­rei, Bedro­hung) zu erwar­ten, besteht eine grö­ße­re Abwehr­mög­lich­keit mit bes­se­ren Erfolgs­chan­cen.

Nutzt ein Raub­tä­ter das Mes­ser als „Mei­nungs­ver­stär­ker“, besteht eine rea­le Mög­lich­keit, die Bedro­hungs­la­ge unbe­scha­det zu über­ste­hen. Wie die Abwehr­hand­lun­gen und Erfolgs­chan­cen im Ein­zel­fall aus­se­hen, wird von den anfangs genann­ten Fak­to­ren stark beein­flusst. Grund­sätz­lich ist es rat­sam, die anvi­sier­te Beu­te zu über­las­sen, statt das eige­ne Leben unnö­tig zu ris­kie­ren.

Ein regel­mä­ßig antrai­nier­tes Situa­ti­ons­be­wusst­sein hilft in den meis­ten Fäl­len, gefähr­li­che Lagen schnel­ler und bes­ser ein­zu­schät­zen, um gezielt eine Dees­ka­la­ti­on ein­zu­lei­ten, oder pro­ak­tiv han­deln zu kön­nen.

In allen Fäl­len hilft im Ernst­fall lau­tes Schrei­en, denn Raub­tä­ter has­sen die Öffent­lich­keit. Zudem ist es hilf­reich, die Tat zeit­nah fest­hal­ten (auf­schrei­ben, auf­neh­men), denn Erin­ne­run­gen ver­blas­sen nach Stress­si­tua­tio­nen sehr schnell.

Was bedeu­tet Distanz­kon­trol­le?

Es ist ein Sam­mel­be­griff für alle Hand­lun­gen die man unter­nimmt, um einen siche­ren Abstand zwi­schen der Stich­waf­fe und den vita­len Kör­per­re­gio­nen zu schaf­fen. Dazu gehört: Weg­lau­fen (Distanz ver­grö­ßern), Unter­lau­fen (Distanz bewusst ver­klei­nern, um wei­te­res Zuste­chen zu unter­bin­den), Fixie­rung des Waf­fen­arms, Selbst­schutz (Schutz­hal­tung, stän­di­ges Hin- und Her Bewe­gen), schüt­zen­de Gegen­stän­de (Kla­mot­ten, Tasche, Ein­kaufs­wa­gen, Stuhl, Tisch, Auto, Tür, Baum, Gestrüpp, etc.) zwi­schen sich und Angrei­fer posi­tio­nie­ren, über­ra­schen­de reak­ti­ons­schnel­le Gegen­an­grif­fe, die eine Umkehr­re­ak­ti­on beim Täter bewirkt – von einer Angriffs­ak­ti­on zu einer Schutz­re­ak­ti­on.

War­um eine Mes­ser­ab­wehr ohne regel­mä­ßi­ges Üben nur sel­ten funk­tio­niert

Auch wenn man vie­le ein­fa­che Abwehr­mög­lich­kei­ten hat, blei­ben die­se ohne regel­mä­ßi­ges Üben rei­ne Theo­rie. In Stress­si­tua­tio­nen kann man nur noch instink­tiv und intui­tiv han­deln. Sogar das Schrei­en (was jeder nor­ma­ler­wei­se kann) klappt oft nicht, wenn es nicht regel­mä­ßig trai­niert wird.

Erst nach mehr­ma­li­gem Wie­der­ho­len und Durch­lau­fen rea­li­täts­na­her Sze­na­ri­en (Faust­re­gel ca. 1000x) geht die Hand­lung in das Unter­be­wusst­sein über und das Mind­set ändert sich. War­um? Man kriegt mehr Sicher­heit und Ver­trau­en in die eige­nen Hand­lun­gen und Reak­tio­nen. Das Gehirn spei­chert die­se posi­ti­ven Erfah­run­gen als hilf­rei­che Lösungs­an­sät­ze ab, um sie im Ernst­fall instink­tiv abzu­ru­fen.

Das heißt natür­lich nicht, dass es sonst nicht klap­pen kann, aber die Wahr­schein­lich­keit, eine sinn­vol­le Ent­schei­dung zu tref­fen sinkt dras­tisch.

Gut zu wis­sen

Hat die Kri­mi­na­li­tät in Deutsch­land zuge­nom­men?

Gemes­sen an der Ein­woh­ner­zahl von ca. 84 Mil­lio­nen (Stand Dez. 2023), lag die Anzahl der gesam­ten Straf­ta­ten im Jahr 2023 mit 5,9 Mil­lio­nen (+ 5,5% zum Vor­jahr) bei ca. 6,6%. Bezo­gen auf die gesam­ten Straf­ta­ten machen die Mes­ser­at­ta­cken mit einer Zahl von 13.840 gera­de mal 0,2% davon aus.

Ist die Angst vor Mes­ser­at­ta­cken begrün­det?

Von allen Mes­ser­an­grif­fen (13.840), die im Jahr 2023 statt­ge­fun­den haben, waren 65% (8.950) gefähr­li­che und schwe­re Kör­per­ver­let­zun­gen, wäh­rend der Rest von 35% (4.890) zu den Raub­über­fäl­len zähl­ten.

Bedenkt man nun, dass die Mes­ser­an­grif­fe gemes­sen an der Ein­woh­ner­zahl ledig­lich 0,2% aller Straf­ta­ten aus­ma­chen und davon nur 65% Kör­per­ver­let­zun­gen waren, von denen wie­der­um ein gerin­ger Teil zum Tod führt, fällt es auf, dass die durch die Medi­en hoch­ge­schür­te Angst rela­ti­viert wer­den kann.

Die Sta­tis­tik aller Mes­ser­at­ta­cken aus NRW im Jahr 2023 zeigt, dass von 6.221 Mes­ser­an­grif­fen gera­de mal 200 (3%) als Tötungs­de­likt ein­ge­stuft wur­den. Die ermit­tel­ten Tat­ver­däch­ti­gen lagen bei 5.700 (91,6%). Rund ein Drit­tel der Täter und Opfer von Mes­ser­an­grif­fen waren Jugend­li­che unter 21 J. gewe­sen.

Kör­per­ver­let­zun­gen &
Raub­über­fäl­le mit dem
Mes­ser in Deutsch­land
im Jahr 2023
Straf­ta­ten &
Tötungs­de­li­kete mit
dem Mes­ser in NRW
im Jahr 2023

Fazit: Zwar hat die gene­rel­le Gewalt an sich zuge­nom­men, aber Fakt ist, dass der Zugang und das Nut­zen der neu­en Medi­en (X, Tik­Tok, Insta­gram, Face­book, usw.) dazu bei­tra­gen, dass vie­le Taten sehr schnell an die brei­te Öffent­lich­keit gelan­gen. Dadurch wird der Ein­druck erweckt, dass man in Deutsch­land kaum noch sicher ist und man Angst haben muß, über­haupt noch das Haus zu ver­las­sen, ohne plötz­lich mit dem Mes­ser ange­grif­fen zu wer­den. Zum Glück ist das NOCH NICHT der Fall, jedoch ist es rat­sam sich grund­sätz­lich im Rah­men von Selbst­ver­tei­di­gungs­kur­sen mit die­ser Pro­ble­ma­tik aus­ein­an­der­zu­set­zen, um im Not­fall die „rich­ti­gen“ Werk­zeu­ge an der Hand zu haben.

Bist du bereit dich zu ver­tei­di­gen und weisst aber nicht wie? Unser safe­de­fen­se Kurs zur Selbst­ver­tei­di­gung hilft dir wei­ter.

Quel­len­nach­wei­se:

https://de.statista.com/themen/94/kriminalitaet/#statisticChapter
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1471312/umfrage/messerangriffe-in-deutschland
https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/messerangriffe-nrw-106.html#:~:text=Anstieg%20um%2022%20Prozent%20im%20Vergleich%20zum%20Vorjahr&text=Während%20im%20Jahr%202022%20noch,Anstieg%20um%20rund%2022%20Prozent.